Heute will ich zum Topkapi-Palast, in dem ab dem 15. Jh der Sultan des osmanischen Reiches mit seinem Hofstaat lebte. Geschichten gibt es viele über die mächtigen und oft unfähigen Sultane, ihre Frauen und Konkubinen und die Intrigen im Harem. Spannend, den Ort zu sehen, wo das alles stattgefunden hat. Abendessen möchte ich am Taksim-Platz, um das Neue Istanbul kennenlernen. Dabei gerate ich in eine gewaltige Demonstration mit Tränengas und Wasserwerfern.
Topkapi-Palast
In der weitläufigen Palastanlage, die sich um 3 Höfe gruppiert, lebte der Sultan, seine Ehefrauen und Konkubinen, und der gesamte Hofstaat. Insgesamt bis zu 4000 Menschen. Der Topkapi-Palast ist eine weitläufige Anlage von zierlichen Palästen. Eher einer prunkvollen orientalischen Zeltstadt nachempfunden, als einem Palast europäischen Stils vergleichbar. Anhand der Gebäude erschließen sich dem Besucher die Lebensabläufe im Palast. In der Ratskammer tagte der Staatsrat, die höchste Instanz im Staat, nach dem Sultan. Auch Abgesandte und Gäste wurden hier empfangen. Durch ein Gitter in der Wand konnte der Sultan den Beratungen und Audienzen unbemerkt zuhören.Die Bibliothek, eine private Räumlichkeit des Sultans. Sie befindet sich an der Marmorterasse, von wo aus man einen wunderbaren Ausblick auf den Bosporus und die Stadt hat. Säulen bei der Marmorterasse. Man blickt auf den prächtigen Pavillion, in dem das Beschneidungsritual stattfand. Einen ähnlichen Blick wie ihn der Sultan von der Marmorterasse hatte, geniesse ich im Palast-Cafe. Und einen lecker süßen Apfeltee dazu.
Harem
Im Harem lebten die Frauen und Konkubinen des Sultans mit ihren Kindern. Und die Eunuchen, die die Tore bewachten und die Haremsdamen bedienten.
Nur der Sultan, seine Mutter und der Kronprinz verfügten über opulent ausgestattete Privatgemächer. Ansonsten gab es keine Privatsphäre im Harem. Ein Sultan konnte bis zu 4 Ehefrauen haben und Konkubinen unterhielt er bis zu 300, in der Regel deutlich weniger. Die Konkubinen sollten den Fortbestand der Dynastie sichern. Weil es im Islam verboten war Muslime als Sklaven zu halten, waren alle Konkubinen Ausländerinnen oder Andersgläubige. Die Mädchen wurden als Sklavinnen gekauft oder wurden dem Sultan geschenkt. Natürlich waren es nur die schönsten und intelligentesten Mädchen, viele davon aus Osteuropa.
Die Osmanen hatten nicht das Recht des Erstgeborenen, deshalb kam es nach dem Tod des Sultans regelmäßig zu einem Blutbad unter seinen Söhnen, die um den Thron kämpften. Das änderte sich unter Sultan Ahmet I, der es nicht fertigbrachte seinen Bruder zu töten. Stattdessen hielt er den Bruder unter Hausarrest im Harem gefangen. Diese Praxis weitete sich aus und führte dazu, dass die jungen Prinzen nicht mehr in Kriegskunst und Staatsführung ausgebildet wurden, und wenn dann die Zeit der Regentschaft kam, waren sie dieser Aufgabe nicht gewachsen.
Unruhen rund um den Taksim Platz
Den Abend möchte ich im modernen Istanbul verbringen und beschließe in Beyoglu, dem schicken Einkaufs und Ausgeh-Viertel rund um den Taksim Platz essen zu gehen.
Eine Standseilbahn hinauf zur Istiklal Caddesi, dem Prachtboulevard, der zum Taksim Platz führt. Die Gleisführung ist einspurig, und auf halber Strecke treffen sich die beiden Bahnen und es gibt eine Ausweichspur.
Als ich dann die ersten Polizisten und Wasserwerfer sehe, wird mir klar, dass wohl wieder demonstriert wird am Taksim Platz. Später erfahre ich, dass ein Jugendlicher, der vor einem dreiviertel Jahr auf einer Demonstration verletzt wurde und seither im Koma lag, gestern gestorben ist.
Überall im Land gibt es nun Trauerzüge und die Unruhen flammen wieder auf. Wegen dem Tränengas in der Luft komme ich nicht durch bis zum Taksim Platz, und ich flüchte mich mit ein paar jungen Leuten in ein Restaurant, das uns die Rollos aufgemacht hat.
Der Taksim Platz wurde wohl durch Tränengas und Wasserwerfer geräumt. Nun gibt es noch Auseinandersetzungen in den umliegenden Straßen.
Ich passe einen ruhigen Moment ab und verlasse dann meinen Unterschlupf. Die Hauptstrasse, die Istiklal, ist frei und ich mache mich auf den Rückweg.