Görlitz kann als Bilderbuch der Baustile fungieren. Im Krieg blieb die Stadt vor Zerstörung verschont, und die historische Bausubstanz erhalten. Zu DDR-Zeiten verfiel die Altstadt, doch seit der Wende wird das städtebauliche Gesamtkunstwerk wiederhergestellt. Mit Hilfe eines anonymer Gönners, der bereits 20 Millionen spendete für die Altstadt-Sanierung. Heute ist Görlitz eine der schönsten Städte Deutschlands.

Und begehrte Filmkulisse, auch für 6 Oskar-prämierte Filme. Denn mit wenig Aufwand lassen sich hier Zeit-Epochen (Barock, Gründerzeit, Jugendstil) und Städte nachstellen: Paris, Berlin, Budapest, New York.

 

Für den Film „Die Bücherdiebin“ wurde vor dem Alten Rathaus eine Bücherverbrennung inszeniert

Am Bahnhof Görlitz

komme ich an, und bin begeistert von dessen üppigen Jugendstil-Ausstattung: Fliesen, Rundbögen, Deckenleuchter – alles orginal erhalten, ein wunderbares Jugendstil-Ensemble.

Am Bahnhof fährt die Tram, doch ich laufe die 7 Minuten zu meiner Pension in einem der Gründerzeit-Häuser,

ähnlich denen am nahen Wilhelmsplatz. Die Liegestühle bleiben heute leer. Bei 36° sucht jeder den Schatten

Die Straßburg-Passage, ein Jugendstil-Kleinod, wird oft verglichen mit den berühmten Passagen in Leipzig, dem Specks Hof oder der Mädler-Passage

Das schattige Restaurant am Postplatz kommt mir gerade recht zum Mittagessen

Schatten ist heute ein begehrtes Gut. Rechts die Jugendstil-Sparkasse

Essen mit Aussicht. Auf den Postplatz, meinen Lieblingsplatz in Görlitz

Den Postplatz ziert ein Brunnen mit der „Muschelminna“, flankiert von Amtsgericht (li) und Geschäftshaus Schulze (1863). Die bronzene Flora wurde im Krieg eingeschmolzen, seit den 90ern gibts wieder eine Kopie

Zu Füßen der römischen Göttin sitzen 4 Skulpturen aus Carrera-Marmor, Allegorien von Kraft, Nutzen, Veränderlichkeit und Romantik. Es kursiert die Geschichte, dass die Muschelminna Scheidungsgrund für die Ehe ihres Erschaffers Robert Toberentz war. Die Ehefrau stellte empört fest, dass die Göttin aussah wie ihr Stubenmädchen – und woher wusste der Bildhauer, wie diese unbekleidet aussah?

Frauenkirche und das Jugendstil-Kaufhaus von 1913. Das einzige Kaufhaus Deutschlands, dessen prachtvolle Jugendstil-Ausstattung vollständig erhalten ist. Zu bewundern als Hotelkulisse im Film  Grand Budapest Hotel

Der Marienplatz bildet die Schnittstelle zwischen der ehemals von einer Stadtmauer umgebenen Altstadt und der gründerzeitlichen Innenstadt. An der Stelle wo ehemals Stadtmauer und Wassergraben verliefen, gibt es nun ein Wasserband – zur Freude der Kinder an diesem heißen Tag. Der Dicke Turm gehörte zur Stadt-Befestigung. Links das Naturkunde-Museum

Das Gerhard-Hauptmann-Theater auf dem Demianiplatz eröffnete 1851 mit Schillers „Don Carlos“. Wegen seiner oppulenten Innenausstattung heißt das Theater auch „kleine Semperoper“

Die Kaisertrutz, ein ehemaliger Wehrturm,

heute Sitz des Kunsthistorischen Museums

Am Reichenbacher Turm betrete ich die Altstadt

Das schönste Barockhaus (li) am Oberen Markt wird auch Napoleonhaus genannt, weil Napoleon 1813 von dort oben eine Truppenschau abnahm. Auch August der Starke und Zar Alexander I bezogen hier Quatier

Die Brüder-Strasse (nach den Franziskaner-Brüdern, die hier ein Kloster hatten) führt zum Herzstück der Stadt, dem Unteren Markt mit Rathaus

Unterer Markt

Rechts das Rathaus. Das graue Haus (li) ist der Schönhof, ein architektonisches Meisterstück, heute Schlesisches Museum

Der Schönhof wurde aus drei Gebäudeteilen zusammengesetzt, die nach dem Großbrand von 1525 erhalten blieben. Der Architekt Wendel Roskopf formte daraus meisterhaft einen noblen Stadtpalast im Renaissancestil, bestehend aus Wohn- und Handelshaus, Brauhof und Herberge.

Gegenüber der Neptunbrunnen und die Zeile. Eine edle Häuserzeile, die den Unteren Markt in 2 Teile gliedert

Der Untere Markt entstand um das Jahr 1220. Hier kreuzten sich zwei wichtige Handelsstraßen: In Ost-West-Richtung die Via Regia von Kiew nach Santiago de Campostella (Spanien), und die Bernsteinstraße von der Ostsee nach Böhmen.

Prächtige Häuserzeile am Untermarkt, dahinter die Peterskirche

Der Untermarkt, welch schönes Ensemble, es gefällt auch den Filmemachern

Schwibbögen am Durchgang zum Fischmarkt

Das Barockhaus-Museum ist ein riesiges Anwesen und beheimatet Bibliothek und Veranstaltungsräume

Die Altstadt-Brücke über die Neiße führt hinüber zur polnischen Schwesterstadt Zgorzelec. Sie wurde am Ende des 2.Weltkrieges von der SS gesprengt und erst 2004 als Fußgängerbrücke wieder eröffnet

Bis heute ist es nicht möglich per Bahn von Görlitz nach Polen zu fahren, ohne im Grenzort Zgorzelec umzusteigen. Bei meiner Weiterreise nach Breslau werde ich also 4 min im Pendelzug von Görlitz nach Zgorzelec fahren, und dort in den polnischen Zug nach Breslau (2h) einsteigen.

Das Heilige Grab,

die Grabstätte Jesus, kann man in Görlitz besuchen

Oder zumindest eine der genauesten Nachbildungen (es gibt noch 15 weitere Kopien in Deutschland), inklusive Garten Gethsemane und Ölberg. Die Anlage wurde gegen 1500 erbaut und ist in den ältesten Landschaftspark Deutschlands eingebettet. Ein religiöses Gesamtkunstwerk mit Kapelle, Salbhaus, Heiligem Grab, Ölberg und Kidrontal.

 

Im Mittelalter und bis in die Barockzeit hinein war es den Gläubigen ein Bedürfnis, biblische Geschichten nachzuerleben. Dafür wurde die Görlitzer Anlage gebaut. Seit dem 16. Jh. ist sie Teil eines Passionsweges, der den Leidensweg Christi abbildet. Er führt in 7 Stationen von der Peterskirche bis zur Grab-Anlage.

Skizze der Heiligen-Grab-Anlage, als Teil des Passionsweges

Ebenso der Bildstock von 1489, neben der Bäckerei. Er symbolisiert die Stelle, wo Jesus unter der Last des Kreuzes zusammenbrach, und Simon von Cyrene es aufnahm

Ganz in der Nähe der Nikolai-Friedhof, ein verwunsches Kleinod der Stille. Die Dichterin Ricarda Huch pries ihn als romantischsten Friedhof Deutschlands

Abschied von Görlitz – mit einem Regenbogen

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